Kopftuch? – Ausziehen!


Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr trage ich das Kopftuch. Seitdem verfolge ich, mal mehr mal weniger, in den Medien die Debatten, die zum Thema Kopftuch geführt werden. Und seit jeher mache ich immer wieder dieselben Beobachtungen, was diejenigen betrifft, die sich als emanzipierte Frauen darstellen, die den Rest der Menschheit aufklären und vor dem Kopftuch retten wollen.


[Bildquellen:
Urheberschaft beider Bilder: Miloud Kerzazi,
Wiedergabe hier mit seiner Genehmigung]

Kopftuch? – Ausziehen!

Der Kampf der Pseudofeministinnen gegen das Kopftuch und den Islam

Ein Gastbeitrag von Namika – die Schreiberin

Immer wieder verdrehe ich die Augen, wenn ich mir die Talkshowgäste anschaue zum Thema „Frau im Islam/ Kopftuch“. In all den Jahren sind es fast immer dieselben Gesichter mit denselben Geschichten, wie sie denn aus dem „faschistischen“ Islam fanden.

Dort spricht immer wieder jemand zu uns, der/die selbst traumatische Erlebnisse durchlitten hat. Meist in einem Land wie dem Iran oder Saudi- Arabien oder als Alternative in einem Berliner Ghetto. Dort mussten die heutigen Islam- und KopftuchgegnerInnen miterleben, wie patriarchalische Strukturen dazu führten, dass junge Frauen und Männer unterdrückt, misshandelt oder gar ermordet wurden. Schlimme Erlebnisse, keine Frage! Im nächsten Atemzug wird dem Zuschauer auch gleich erklärt, wie es so weit kommen kann, dass Frauen beispielsweise nach einer Vergewaltigung vom orientalischen Familienclan brutal ermordet werden oder ganze Gesellschaften dies mit Inbrunst übernehmen: Der Islam ist schuld. Ehrenmorde, Genitalverstümmelung bei Mädchen, Zwangsheiraten kleiner Mädchen oder junger Frauen, usw. usf.: An allem ist der Islam schuld. Und dann wird ein gekonnter Schwenk zum Kopftuch gemacht. Das Kopftuch ist auch an allem schuld, als Mittel und eigentlich Inbegriff der Unterdrückung. Und so weiter. Wir alle kennen die stereotypen Ausführungen in diesen Talkshows, Artikeln gegen das Kopftuch und den Islam.

Persönlich mit solch radikalen Islamgegnern hatte ich bis vor kurzem allerdings noch nie etwas zu tun. Nun kam es aber neulich dazu, dass mich zwei Freundinnen (eine Jüdin und eine Atheistin) zu einer Veranstaltung einluden, in der es gegen das Kopftuch und den Islam gehen sollte. Der Islam als frauenfeindliche Ideologie, erklärt von einer Exmuslima. Die beiden wollten einen solchen Auftritt nicht unkommentiert stehen lassen und hatten sofort mich als Mitstreiterin im Sinn. Nun bin ich nicht der Typ Mensch, der gerne nur meckert, ohne auch anzupacken, wenn sich ihm die Chance bietet. Ich nahm die Einladung an und recherchierte die Tage vor der Veranstaltung zu der Referentin und ihren (wie ich bald merken sollte) kruden Ansichten.

Denn schon bei meinen Recherchen wurde mir übel. Die Frau schreibt für eine antideutsche Zeitschrift, d.h. mehrere linkspolitische Journalisten, jüdische Organisationen, die ZEIT, das Bundesfamilieninnenministerium und der Verfassungsschutz Brandenburg ordnen diese so ein. Nicht wenige Beobachter bezeichnen die Referentin als Person mit rassistischen Tendenzen und islamophob. Wow, ich war platt. Und so jemand wird eingeladen, um „über den Islam aufzuklären?“. Hust. Alles klar. Da ich mich aber nie auf die Einschätzungen anderer verlasse und mir stets ein eigenes Bild zu machen versuche, so las und hörte ich fast alles, was mir von der Dame in die Hände fiel. Fazit: Jap, das kann ich persönlich so unterschreiben, was ich bereits als Anfangsinfos gefunden habe.

Als weitere Vorbereitung fertigte ich Notizen mit kritischen Fragen an, die ich gerne von der Referentin erklärt bekommen haben wollte. So wollte ich ihr die Möglichkeit bieten, eventuelle Missverständnisse zu korrigieren. Bei Bestätigung meiner negativen Vermutungen durch sie würde so ein Fragezeichen im Publikum hinterlassen und nicht einfach dumpf aufgenommen werden, was diese Frau an Hetze zu verbreiten schien. Meine Freundinnen hatten denselben Plan. Freundlich aber kritisch hinterfragen.

Der Vortrag

(Gedankenprotokoll bzw. Mitschrift. Genau Formulierungen können etwas abweichen. Text mithilfe mehrmaliger Gespräche mit anderen Zuhörerinnen überarbeitet und korrigiert. Namen werden bewusst nicht genannt.)

Wir betreten zu viert das linke Café. Es ist eng und muckelig. An der Theke sehe ich meine jüdische Freundin, die bereits eine Cola trinkt. Wir begrüßen uns herzlich, ich stelle alle Damen vor, die sich noch nicht kennen, und wir unterhalten uns locker. Langsam füllt sich das Café, meine jüdische Freundin (ich nenne sie Rahel) zieht sich ihr jüdisches Kopftuch über, während ihre Davidstern-Ohrringe noch hervorblitzen, sie trägt eine silberne Kette mit Davidstern, die sie in Israel gekauft hat. Wer sie nicht kennt, weiß nicht, dass sie Palästina-Aktivistin ist und für einen gerechten Frieden im Nahen Osten eintritt.

Das Café ist mittlerweile recht voll, was einfach daran liegt, dass es so klein ist, denn es sind nicht mehr als 40 Leute anwesend, wenn überhaupt. Die Zuhörer sind jung, fesch gekleidet, Linke verschiedener Couleur. Männer und Frauen sind gleichmäßig vertreten.

Die Referentin nimmt auf dem Podium Platz und beginnt ihren Vortrag.

Fünfzig Minuten spricht sie ohne Unterbrechung, monoton und mit einer Masse an Fremdwörtern, die ich so nicht einmal von Vorträgen an der Uni kenne. Sie liest mehr ab von all ihren Zetteln, als dass sie frei spricht. Klar, solch komplizierte Satzbauarten und die massenhafte Verwendung von Fachbegriffen kann nicht jeder einfach so raushauen, da muss sie auch beim X-ten Vortrag immer wieder ablesen. Einfacher formulieren? Never! So wirken Vortragende und Inhalt doch gleich viel kompetenter und intellektueller.

Außerdem liest sie unfassbar viele Zitate von Leuten vor, die sie ganz nebenbei recht gekonnt abwertet. Denen sie immer wieder abspricht verstanden zu haben, was und wie eine Feministin zu sein hat. So werden sowohl nichtmuslimische als auch muslimische Personen des öffentlichen Lebens verächtlich als Beispiel für den falsch verstandenen Feminismus und Islam genannt und zitiert. Ab und an auch einige „ganz tolle Feministinnen“ und Kopftuch- sowie Islamgegnerinnen, die beides anscheinend „richtig“ verstanden haben.

Ich schaue mich im Café um, wenn mein Hirn das monotone Ablesen vom Blatt durch die Referentin nicht mehr ertragen kann. Rechts von mir hängt an der Wand ein Plakat, das auf eine rechte Kneipe aufmerksam macht und links eines, das auf den Widerstand gegen Islamismus hinweist. Aha. Im Nachgang erzählen mir viele Zuhörer, dass es ihnen mit der einschläfernden Wirkung des Vortrags ebenfalls so ging.

Im Vortrag sollten krude Schlüsse der Dame mich und einige andere Zuhörer ins Staunen bringen. Hier einige wenige im Überblick:

  • „Das Kopftuch wird als Symbol gegen die Assimilation getragen“ Hat wohl mal irgendeine Muslimah gesagt und wird nun allen Kopftuchträgerinnen ungefragt in den Mund gelegt bzw. als Absicht unterstellt.
  • „Der weibliche Körper wird im Islam als Quelle der Sünde dargestellt.“

Ääääääh, was? Ich studiere seit zwölf Jahren (!) den Islam. DAS ist mir aber neu! Verwechselt sie hier die Erbsünde der christlichen Lehre mit dem Islam?

  • Einige Kopftuchbefürworter werden mit dem iranischen Ayatollah-Regime verknüpft und als dessen „Geisteskinder“ bezeichnet.
  • Frauen, die das Kopftuch freiwillig tragen, werden als „Minderheit“ und jene, die dazu gezwungen werden, als „Mehrheit“ bezeichnet.